Fibrinogen: Das Substrat der Gerinnung

Fibrinogen (FI) wird hauptsächlich in der Leber gebildet und ist der Gerinnungsfaktor mit der höchsten Konzentration im Plasma [Normalwerte 200-400 mg/dl (2-4 g/l)]. Fibrinogen hat ein Molekulargewicht von ca. 340 kDa; seine biologische Halbwertszeit beträgt 100-112 Stunden. Ein Fibrinogenmangel ist mit einer allgemeinen schweren Blutungsneigung verbunden. Bei erhöhtem Blutungsrisiko, z. B. bei größeren operativen Eingriffen oder Polytraumen, sollte die Fibrinogen-Konzentration Werte von 150 mg/dl (1,5 g/l) nicht unterschreiten (s. folgende Tabelle).

Steckbrief Fibrinogen

 
Biologische Funktion Substrat der plasmatischen Gerinnung,
Ligand der Thrombozytenaggregation
Bildungsort Leber
Plasmakonzentration 180-350 mg/dl (1,8-3,5 g/l)  
Halbwertszeit 100-112 Stunden
Notwendige
Mindestkonzentration
> 150 mg/dl (> 1,5 g/l)
bei Blutungen bzw. erhöhtem
Blutungsrisiko

 

Funktion Fibrinogen

Fibrinogen hat im Rahmen der Blutgerinnung zwei außerordentlich wichtige Funktionen:

1.  Substrat der plasmatischen Gerinnung
2. Ligand der Thrombozyten-Aggregation

Nach einer Gewebstraumatisierung binden Thrombozyten über den von-Willebrand-Faktor an das subendotheliale Kollagen (Adhäsion). Nach deren Aktivierung fungiert Fibrinogen als Ligand der Thrombozyten-Aggregation, indem es an die Fibrinogen-Rezeptoren GPIIb-IIIa der Thrombozyten bindet. Im Rahmen einer Gerinnungsaktivierung wird Fibrinogen, das Substrat der Gerinnung, in einer mehrstufigen Reaktion durch Thrombin in Fibrin umgewandelt und durch Faktor XIII vernetzt. 
Nur im Zusammenwirken von einem durch Faktor XIII verstärkten Fibrinnetz und einer ausreichenden Anzahl funktionsfähiger aktivierter Thrombozyten kann ein stabiles, mechanisch belastbares Blutgerinnsel entstehen, das die Blutstillung bewirkt (Abb.1). Somit ist nur durch ausreichende Spiegel an Fibrinogen und Faktor XIII eine dauerhafte Blutstillung gewährleistet. Der physiologische Abbau des Fibrins erfolgt später durch körpereigene Fibrinolyse.

Bildung Fibrinnetz

Abb. 1: Fibrinogen wir durch Thrombin zu Fibrin gespalten. Die Fibrinmoleküle polymerisieren anschließend und bilden ein Netz. Thrombin aktiviert Faktor XIII, welcher die Quervernetzung der Fibrinstränge initiiert und somit den Thrombus stabilisiert. Abbildung modifiziert nach Adam et al., 2009.

Fibrinogen: Grundsätzliches

Molekulargenetische Untersuchungen des Gerinnungssystems ergaben, dass Fibrinogen ein hoch konserviertes Molekül ist. Seine wesentlichen strukturellen und funktionalen Eigenschaften sind wahrscheinlich bereits seit 400 Mio. Jahren vorhanden und seitdem in unterschiedlichen Spezies im Wesentlichen unverändert geblieben. Offensichtlich ist Fibrinogen ein für höhere Tiere überlebenswichtiges Protein, denn nur durch die Fibrinbildung ist nach einer Verletzung des Gefäßsystems eine dauerhafte erfolgreiche Reparatur des Lecks gewährleistet. Fibrinogen wird, wie fast alle anderen Gerinnungsproteine auch, von Hepatozyten in der Leber synthetisiert. Es handelt sich um ein Akute-Phase-Protein, dessen Konzentration z. B. bei schweren Infektionen oder auch chronischen Erkrankungen ansteigt. Mengenmäßig übertrifft das Fibrinogen die anderen Gerinnungsproteine deutlich. Während für das Fibrinogen eine Plasmakonzentration von ca. 180 - 350 mg/dl gefunden wird, liegt diese für andere wichtige Gerinnungsfaktoren deutlich niedriger. So beträgt die Konzentration von Prothrombin lediglich ca. 10 mg/dl und die von Faktor VII nur 0,2 mg/dl. Die Halbwertszeit des Fibrinogens liegt bei ca. 4 Tagen. 

Molekülstruktur
Wie ist dieses wichtige Molekül aufgebaut? Zunächst einmal handelt es sich bei Fibrinogen um ein sehr großes Protein (Molekulargewicht ca. 340 kDa). Es wird von drei Genen kodiert, die auf dem Chromosom 4 (4q31.3 - 4q32.1) lokalisiert sind. Diese sind für die Kodierung und Synthese der drei unterschiedlichen Fibrinogenketten verantwortlich. Fibrinogen besteht aus 2.964 Aminosäuren und ist ein symmetrisch aufgebautes dimeres Protein, das aus jeweils zwei alpha -, beta- und gamma-Ketten besteht. Diese bilden an ihrem N-terminalen Ende eine zentrale Struktur aus, die E-Domäne. Die weitere Struktur des Dimers ist durch einen langen Abschnitt gekennzeichnet, in dem die drei Ketten des Fibrinogens eng miteinander verwunden sind (coiled region). Es folgen dann noch die globulär aufgebauten D-Domänen (siehe auch Kategorie 'Faktor XIII: Der Stabilitätsfaktor', Quervernetzung von Fibrin)
Polymerisation
Innerhalb der E-Domäne enden die alpha- und beta-Ketten in zwei Peptiden, die Fibrinopeptid A und Fibrinopeptid B genannt werden. Sie bestehen aus 16, respektive 14 Aminosäuren und stellen Spaltungsstellen für Thrombin dar. Nach Abspaltung der Fibrinopeptide A und B kommt es innerhalb des Fibrinogenmoleküls zu einer leichten Konformationsänderung. Dadurch werden Bindungsstellen freigelegt, die im Bereich der D-Domänen Interaktionen nicht kovalenter Art mit anderen Fibrinmolekülen eingehen können. Es kommt zur Ausbildung doppelsträngiger Fibrinprotofibrillen (siehe auch Kategorie 'Faktor XIII: Der Stabilitätsfaktor', Quervernetzung von Fibrin). Diese können sich dann bereits zu einem dreidimensionalen Fibrinnetz verbinden. Dieses Fibringerinnsel ist allerdings nicht sehr stabil, da keine kovalenten Bindungen zwischen den Fibrinmolekülen existieren. Diese kovalenten Bindungen werden dann durch die Transglutaminase Faktor XIII in das Fibringerinnsel eingefügt und stabilisieren durch die Quervernetzung das Gerinnsel. Faktor XIII verknüpft dabei sowohl die alpha-Ketten des Fibrins in einer raschen und die gamma-Ketten des Fibrins in einer langsamen Reaktion. Das Fibringerinnsel wird im weiteren Verlauf dann durch Plasmin angegriffen. Diese reaktive Fibrinolyse spaltet das Fibringerinnsel an verschiedenen Stellen. Unter anderem entsteht dabei ein Dimer aus den verknüpften D-Einheiten. Dieses D-Dimer spielt eine wichtige Rolle in der Diagnostik venöser Thromboembolien und in der Beurteilung einer disseminierten Gerinnungsaktivierung. 
Fibrinnetz
Die sicher wichtigste Eigenschaft des Fibrin(ogen)s ist die der Gerinnselbildung an einer Gefäßverletzungsstelle. Neben der mechanischen Stabilisierung des Thrombozytenaggregates der primären Hämostase dient das dreidimensionale Fibrinnetzwerk auch der Reorganisation der Wunde, indem es als Leitstruktur die Fibroblasteneinwanderung fördert. Darüber hinaus besitzt Fibrinogen Eigenschaften als Adhäsivprotein. So exprimieren Thrombozyten das Glykoprotein IIb/IIIa. Dieses kann Fibrin oder nach Aktivierung des Rezeptors auch Fibrinogen binden. Damit trägt Fibrinogen wesentlich zur Thrombozytenaggregation bei. Auch andere Zellen, wie z. B. Endothelzellen, exprimieren Fibrinogenrezeptoren. 
Fibrinolyse
Der Gewebeplasminogenaktivator, welcher wesentlich für die Auflösung entstandener Fibringerinnsel verantwortlich ist, kann Plasminogen vor allem dann besonders effektiv zu Plasmin aktivieren, wenn er an Fibrin gebunden ist. Somit unterstützt das Fibringerinnsel wiederum die Modulation des Gerinnsels und trägt dazu bei, dass es auch wieder abgebaut werden kann. 
Elastizität
Ein Fibringerinnsel benötigt eine hohe Elastizität, da es bei Verschluss eines Lecks in arteriellen Gefäßen der Blutdruckwelle ausgesetzt ist. Diese Elastizität wird durch die „coiled“ Regionen vermittelt. Diese können ziehharmonikagleich auseinandergezogen werden und sind daher für die Elastizität des Gerinnsels mitverantwortlich. Fibrinogen bestimmt wesentlich die Plasmaviskosität und damit die Fließeigenschaften des Blutes mit.

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