Diagnostik Blutgerinnung

Eine Gerinnungsdiagnostik ist indiziert, wenn ein Verdacht auf eine Hämostasestörung besteht. Sie wird häufig vor geplanten Operationen oder anderen invasiven Eingriffen wie einer Spinalanästhesie durchgeführt. Darüber hinaus ist sie zur Überwachung therapeutischer Maßnahmen wie Thrombozyten- oder Gerinnungshemmung angezeigt. Leitlinien empfehlen vor operativen Eingriffen eine Blutungsanamnese durchzuführen, die folgende Punkte umfassen sollte:

  • Blutungsneigung in der Familie
  • Häufigkeit von Nasenbluten
  • Häufigkeit von blauen Flecken ohne erkennbares Trauma
  • Zahnfleischbluten ohne Grund
  • Dauer der Nachblutung bei Alltagstraumata (z. B. beim Rasieren)
  • Probleme mit Nachblutungen in der Vergangenheit bei Zahnextraktionen, Operationen, Geburten
  • Bei Frauen: Dauer und Stärke der Menstruation
  • Einnahme von Antirheumatika, Blutverdünnern usw. 

Hilfreich für die Anamnese können standardisierte Fragebögen sein (z. B. Bleeding Assesment Tool, BAT). 

Typische anamnestische und klinische Hinweise für bestimmte Störungen der Blutgerinnung finden Sie in der folgenden Tabelle:

Gerinnungsstörungen:
Symptome & mögliche Ursachen

Symptome   Hinweis auf
Blutung kommt primär nicht oder nur verzögert zum Stillstand  
  • angeborene Thrombozytopathie (z. B. Morbus Glanzmann)
  • angeborene Gerinnungsstörung (z. B. Von-Willebrand-Syndrom)
  • Einnahme von Medikamenten, die die Thrombozytenaggregation hemmen (z. B. ASS, Clopidogrel, Ibuprofen, Diclofenac usw.)
  • Vasopathie, wie z. B. Gefäßmissbildungen
Petechien Purpura  
  • Thrombozytopathie
  • Thrombozytopenie
  • Vasopathie
Ekchymosen, Hämatome  
  • Hochgradige Thrombozytopenie
  • Koagulopathie
Nachblutungen (z. B. Stunden nach Trauma oder OP)  
  • Koagulopathie
  • Faktor XIII-Mangel
Gelenkblutungen  
  • Hämophilie
Stichkanalblutungen  
  • Hypofibrinogenämie
Späte Einblutungen / Wundheilungsstörungen im OP-Bereich (z. B. sog. Platzbauch)  
  • Faktor XIII-Mangel

Gerinnungsstatus

Vor einer OP oder einem Eingriff mit Blutungsrisiko sollten standardmäßig Laborparameter (Globalparameter) in den verschiedensten Konstellationen  erfasst werden:

  • Prothrombinzeit (=PZ =Thromboplastinzeit =Quickwert / alternativ: International Normalized Ratio (=INR)
  • Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (=aPTT)
  • Thrombozytenzahl (=Thr) 
  • Fibrinogen 
  • Antithrombin 
  • D-Dimer qantitativ 

Bei gezielten Fragestellungen können Spezialuntersuchungen erforderlich sein. 

Einflussfaktoren auf die Gerinnungsanalyse

Die Ergebnisse von Gerinnungsanalysen sind stark methoden- und geräteabhängig, weshalb die laboreigenen Normwerte beachtet werden sollten. Beim Transport in (Spezial-)Labore sollte außerdem die Transportdauer und die Lagerungstemperatur beachtet werden. In Tab.2 sind die Laborbefunde möglichen Ursachen der Blutgerinnungsstörung zugeordnet.

Pathologische Ergebnisse: Differentialdiagnose

Laborbefund   Hinweis auf
Quick / INR  D-Dimer   
  • Leberparenchymschaden (LPS) (Fibrinogen , AT , Thr )
  • Vitamin K-Mangel (Firbrinogen , AT , Thr )
  • Einzelfaktorenmangel (II, V, VII oder X)
  • Orale Antikoagulation
Quick / INR   D-Dimer  
  • Primäre Hyperfibinolyse (Thr )
  • Sekundäre Hyperfibinolyse (Thr )
  • Dekompensierter LPS (DD oft leicht )
aPTT  
  • Heparinwirkung (evtl. auch Kontamination bei Blutabnahme)
  • Einzelfaktorenmangel (Hämophilie A, B, C, Von-Willebrand-Syndrom)
  • Faktor XII-Mangel
  • Antiphospholipid-Antikörper
  • Neue orale Antikoagulantien
Fibrinogen    
  • Leberparenchymschaden
  • Hyperfibrinolyse
  • Chemotherapie mit Asparaginase
Fibrinogen    
  • Akutphase (Entzündung, Blutung, post-OP, Malignom, usw.)
D-Dimer  
  • Primäre Hyperfibrinolyse (z.B. Lysetherapie oder Malignom)
  • Sekundäre Hyperfibrinolyse (z.B. Verbrauchskoagulopathie)
  • Leberparenchymschaden (fehlende DD-Clearance)
  • Postoperativ (physiologischer reparativer Vorgang)
  • Posttraumatisch (Hämatomresorption)

 

= erhöht oder verlängert, = vermindert, = normal

Tab. 2: Mit den Tests und deren Ergebnis sind die meisten (> 95 %) klinisch relevanten Blutgerinnungsstörungen zu diagnostizieren und zu therapieren. AT= Antithrombin, DD= D-Dimer, Thr= Thrombozytenzahl.  

Mehrstufiger Prozess

Bestimmte Krankheiten und Therapien im Verlauf der Behandlung eines Patienten können die Blutgerinnung beeinflussen. Deshalb sollten Laborergebnisse nie separat, sondern immer in der Zusammenschau mit der Blutungsanamnese und allen weiteren, verfügbaren Informationen betrachtet werden. Nachfolgende Abbildung zeigt einen allgemein anerkannten Algorithmus der Gerinnungsdiagnostik. 

 

Algorithmus zur Gerinnungsdiagnostik

Zusammenfassung

  • Vor Operationen oder invasiven Eingriffen sollte eine Blutungsanamnese bei dem Patienten durchgeführt werden.
  • Laborseitig sollte außerdem ein kleiner Gerinnungsstatus erhoben werden.
  • Die Globalparameter decken nur einen kleinen Teil potenzieller Gerinnungsstörungen ab. Häufig, z. B. bei einem Faktor XIII-Mangel oder Thrombozytenfunktionsstörungen sind Spezialuntersuchungen notwendig.

 

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